Heidrun Kunert

Projekt "Kunst und Arbeit"

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(Heidrun Kunert)

Ein Projekt, das diese beiden deutlich von einander unterschiedenen Bereiche in eine Verbindung bringt, kommt um eine längere Erläuterung nicht herum. Um was wird es sich in diesem Projekt handeln?

Verlust von Arbeit in der Gesellschaft

Durch Automatisierung, Roboterisierung, technologischen Wandel allgemein - sind in den letzten 50 Jahren viele Arbeitsplätze in der verarbeitenden Industrie, im Verkehr, in der Verwaltung, in den Dienstleistungen etc. verschwunden, neue sind entstanden, allerdings weniger. Bereits 1958 wurde diese Entwicklung durch Philosophen wie Hannah Ahrendt deutlich vorhergesehen, dass nämlich eine gesellschaftliche Krise zu erwarten sei, wenn eine Arbeitsgesellschaft wie der deutschen die Arbeit ausgehe. (Vita activa).

Die Welt verfügt über eine gigantische Menge menschlicher Energie, die ungenutzt bleibt. Was machen wir mit den großen Mengen von nicht-ausgebildeten jungen Menschen, die demnächst arbeitslos sein werden? Es ist leichter diese Menschen zu ernähren, als sie zu beschäftigen. (Renée Zucker, Philosophin, "1. Mai und Beschäftigung", Beitrag im RBB Kultur, Mai 2007).

"Jede Arbeit, ganz gleich welches Produkt sie erzeugt, ist ja auf andere Menschen gerichtet, ist materieller Ausdruck sozialer Bezüge und eines Gefüges, für das wir Begriffe haben wie: "das Arbeitsleben eines Menschen". Wenn das Auf und Ab, wenn die Gezeiten eines Menschenlebens mit Arbeit verbunden bleiben, entgeht es dem Grauen, am Ende nur sich selber gegenüber zu sitzen, in der Mitte des Lebens. Vielleicht vermag der von bezahlter Arbeit Verlassene für sich selber etwas zu finden und zu erfinden, das in all seinem "Bisher" verborgen oder unentdeckt geblieben ist. Solcher Akt des Herausfindens wäre eine das Weiterleben ermöglichende Arbeit, die unter Schmerzen entdeckt, was alles in uns ist - und schwieriger noch: dies zu übertragen vermag auf die brachiale Banalität sinnleerer Tage... Etwas möge sich weigern in uns (zu resignieren), damit wir wieder Möglichkeiten ins Auge fassen, selbst die geringsten und kleinsten wären ein Ziel, und der mühselige Weg dahin unsagbare Kunst." (Walter Petri: Bedrückung täglich, in: Faktor Arbeit, Katalog zur Ausstellung, Hrsg.: Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, NGBK, Berlin 1997).

Beschreibungsversuche

Arbeit als bezahlte Tätigkeit in abhängiger oder selbständiger Form ist zweckgebundene Tätigkeit auf die Gesellschaft hin, Arbeitsergebnisse sind Produkte oder Dienstleistungen. Kunst als freie gestaltende Tätigkeit des schöpferischen Menschengeistes bezieht sich heute auf nichts als auf Kunst. Die Tätigkeit des kreativen Arbeitens ist ein Urtrieb, der früher mit Glauben und Kult verbunden war- bis ins Barock. Danach beziehen sich geistige Wandlungen eher auf Gesellschaft und Philosophien. (Aus: DTV-Lexikon, Brockhaus 1966 )

Arbeit besteht aus einer Vielzahl von Tätigkeiten im Gewinnen, Verarbeiten, Handeln und Erforschen von Stoffen, Arbeit als Begriff für Stoffwandlungen im gesellschaftlichen Kontext. Es geht also nicht nur um die eigene Existenzsicherung, sondern vor allem auch um die Bedürfnisse Dritter, also um die gesellschaftliche Reproduktion insgesamt. Kunst ist aber das, was über die nackte Existenzsicherung hinausgeht, aber für die Absicherung einer kulturellen Identität erforderlich ist. Sie beantwortet Sinnfragen des Lebens.

Verbindungen von der Kunstwelt zur Arbeitswelt scheinen in der Zeit bis 1870 und nach 1945 eher schwach ausgeprägt gewesen zu sein. Bilder der Arbeit lieferten vor allem Künstler in der Phase der Industrialisierung und Hochindustrialisierung (1870-1945), (vgl. Klaus Türk, Bilder der Arbeit, mit insgesamt 1500 einschlägigen Bildern, aus denen eine "Ikonografie der Arbeit" generiert wurde. Wiesbaden 2000).

Wirklich ins Bewusstsein einer kunstinteressierten Öffentlichkeit gerieten aber nur wenige Bilder, Menzels Eisenwalzwerk gehört dazu und Liebermanns holländische Bilder aus Sozialeinrichtungen wie die Nähschule oder die Seilerwerkstatt. Diese stellen Arbeit in Manufakturen dar, d.h. nicht-industrialisierte Arbeitsmilieus.

Arbeit als Sujet der Kunst

Arbeit vollzieht sich zumeist im nicht-öffentlichen Bereich, Kunst sucht dagegen die Öffentlichkeit und findet auch vor allem im öffentlichen Raum statt. Nicht zufällig sind daher Baustellen ein relativ häufiger Bildinhalt in der Kunst, die sich auf Arbeit bezieht. Andere Arbeitsfelder sind dagegen seltener zu sehen, in der älteren Kunst gehören noch die Bauern auf dem Felde oder Fischer bei der Arbeit dazu, Sujets, die dem Künstler direkt zugänglich sind, weil sie Bestandteile des öffentlichen Raumes der Stadt oder in der Landschaft sind.

Wann kommen Arbeitsprozesse in der Malerei überhaupt vor? Allgemein gilt, erst wenn Technologien und Arbeitsprozesse veralten, tauchen sie als Gegenstand in der Kunst auf, werden sie zu Bildinhalten. Ein häufig genanntes Beispiel sind die Telegrafenmaste. Sie traten erst in Landschaftsbildern auf, als man bereits telefonierte und kaum noch telegrafierte. Oder wenn Handarbeit in der Landarbeit fast vollständig verschwunden ist in ihrer alten Form, erscheint sie manchmal als Kunstprodukt in neuer Form wieder. Beispiel ist die bereits erwähnte "Joachimsthaler Kartoffellege" im Mai 2007, hierbei führt ein Schauspieler die Bewegungen beim Kartoffel legen mit riesigem Holzrechen vier Wochen lang, 8 Stunden am Tag Bauernarbeit als Performance vor Publikum (aus der Stadt) auf.

Das Thema Arbeit ist häufig Gegenstand fotografischer Reportagen. Eine typische Arbeitsreportage erschien im Jahr 1981 bei Nicolai in Berlin. (`Ne Menge Arbeit. Ungewöhnliche Berufe in einer Großstadt. Barbara Tietze u.a.). In diesen Beobachtungen geht es um eine Psychologie der körperlichen Arbeit, denn damals war die "Humanisierung der Arbeitswelt" und ihre Bebilderung ein aktuelles Thema. Barbara Tietze, Professorin für Ergonomie im Fachbereich Produktdesign an der HDK Berlin, konnte beobachten: "...Ein entscheidender Anteil der beruflichen Erfahrung vollzieht sich hier auf der nicht-sprachlichen und nicht-bewußten Ebene der Handarbeit. Vor allem die Vielfältigkeit und Komplexität der routinisierten Tätigkeiten, der souveräne Umgang mit der räumlichen Selbstwahrnehmung und mit gezielten, differenziert geführten Bewegungen - sind für das Gefühl, das man auch Arbeitsfreude nennt, verantwortlich. Erst wenn es gelingt, eine Maschinenkultur zu entwickeln, die auf die Bedürfnisse nach psychomotorischer Aneignung, nach Einsatz und Qualifizierung der körperlichen Intelligenz Rücksicht nimmt, wird man von einer "Humanisierung der Arbeitswelt" im eigentlichen Sinne sprechen können."

Neugründungen von Museen in den 80er Jahren verstärkten die Aufmerksamkeit für das Thema Arbeit. In einem alten Fabrikgebäude wird die Arbeitswelt des Industriezeitalters in Hamburg um 1900 präsentiert, (vgl. Katalog Hamburger Museum der Arbeit, 1997). Auch für die Malerei (Neo-Realismus) spielte in den 80er Jahren die Arbeitswelt eine besondere Rolle, Beispiel: Antje Marczinowski: Werftanlagen und U-Bootbau in Kiel, (vgl. Katalog "Werke 1980-87). Es sind aber insgesamt nur weniger als 10 Jahre in denen sich die meist realistische Kunst mit dem Arbeitsthema noch einmal intensiver beschäftigte. Danach, ab 1990 - mit der gesellschaftlichen Neuorientierung nach der Wiedervereinigung Deutschlands, ist unter der Hand eine rasante technologische Revolution abgelaufen, die Etablierung einer Informationsgesellschaft, deren Arbeitsprozesse sich vor allem durch eine allumfassende Computerisierung aller Bereiche auszeichnet. Virtuelle Arbeit - die Arbeit an der Tastatur - wird bestimmend. Dies geschieht, ohne dass noch direkter Kontakt zu den Produktionsvorgängen, die mit Materialumwandlung, Formung und Verteilung zu tun haben, besteht. Daraus hat sich eine erhebliche Beschleunigung der Produktionsvorgänge und eine Verlagerung in andere Regionen der Welt (China, Indien, Südamerika) vollzogen. Hieraus ist für die deutsche Gesellschaft ein erhebliches Konfliktpotential entstanden.

Ausblick: Arbeit in Prekären Verhältnissen

Blickt man auf die heutige Zeit, muss man sich fragen, welche Rolle die Arbeit in der Kunst heute noch spielt. Gibt es dazu eine Selbstreferenz oder Selbstreflexion? Und umgekehrt: was für eine Rolle spielt Kunst, ob bildende oder darstellende Kunst, Installation oder Performance, für das Verständnis von Arbeit? Barbara Tietze entdeckte 1980 bei ihren Forschungen im Handwerksmilieu, "dass die meisten Menschen eine Ordnung bevorzugen, die nicht allein den Zweck der Arbeit abbildet, sondern auch darüber hinausgehende Lebensäußerungen ermöglicht bzw. einschließt. Umwege oder auch Unbequemlichkeiten, die den Arbeitsvollzug in diesen breiteren und auch individuellen Lebenszusammenhang einbetten, werden nicht als Arbeitserschwernis, sondern als Arbeitserleichterung erlebt und tragen in erheblichem Maß zur Entwicklung einer moralischen Verbrüderung des Menschen mit seiner Arbeit bei." (Tietze)

Mit dieser Einschätzung wird 1980 bereits eine Individualisierung der Berufsarbeit thematisiert, die Aspekten der Kunstproduktion nahe kommt. 25 Jahre später scheint die Figur des "kreativen Individualisten" zum Leitbild des postfordistischen Kapitalismus geworden zu sein. (Quelle: Jan Verwoerf: Weiß ich wirklich, was ich tue? In: Tätig sein, Berlin 2004, NGBK). Für den Künstler heißt das: " Die Freiheit künstlerischer und kultureller Produktion scheint sich in den gesellschaftlichen Zwang zur maximalen Ausbeutung der eigenen Talente verkehrt zu haben." Wenn ich aber prekäre Arbeitsverhältnisse akzeptiere, heißt das dann, dass ich diese Verhältnisse auch nach außen hin akzeptabel erscheinen lasse?" Mit dieser offenen Frage schließt zunächst dieser Versuch einer Annäherung an das Thema Kunst und Arbeit.